Gewalt im Namen der Ehre

Mit seinem Buch "Gewalt im Namen der Ehre. Die Psychologie hinter Ehre, Sexualität, Religion und Terror" bietet Prof. Dr. Dr. Jan Ilhan Kizilhan, Experte für transkulturelle Psychiatrie und Traumatologie, einen tiefen Einblick in die psychologischen und kulturellen Mechanismen, die hinter Ehrenmorden und sexualisierter Gewalt stehen.

 

Wer ist der Autor?

Kizilhan, geboren im kurdischen Teil der Türkei, ist ein international anerkannter Orientalist und Psychologe. Als Leiter des Instituts für Transkulturelle Gesundheitsforschung an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg sowie des Instituts für Psychotherapie und Psychotraumatologie an der Universität Duhok im Irak hat er sich auf die Betreuung von IS-Opfern und die Ausbildung von Fachkräften spezialisiert. Seine Arbeit brachte ihm zahlreiche Auszeichnungen ein, darunter den Women’s Rights Award und den Ramer Award for Courage in the Defense of Democracy.

 

Worum geht es im Buch?

Kizilhans Werk beleuchtet die Komplexität des Ehrbegriffs, der in patriarchalisch geprägten Kulturen häufig als Legitimation für Gewalt herangezogen wird. Gewalt war schon immer eine Möglichkeit, sich Aufmerksamkeit zu verschaffen und Macht durchzusetzen." 

Ehrenmorde, die oftmals eine Form der Familienehre schützen sollen, basieren nicht auf einem spontanen Impuls, sondern sind häufig Monate im Voraus geplant. Die Täter stammen in der Regel aus kollektiv-traditionellen Gesellschaften, in denen das Ansehen der Familie über das Leben eines Individuums gestellt wird. Kizilhan analysiert nicht nur die psychologischen Motive hinter diesen Taten, sondern geht auch auf die Rolle der Religion, sexualisierter Gewalt und die Mechanismen des Terrorismus ein.

Zudem untersucht er, wie diese tief verwurzelten sozialen Strukturen durch Migration zunehmend auch in westlichen Ländern Einzug halten und das politische Klima beeinflussen. "Scham, die Überzeugung, die "Ehre verloren" zu haben, sowie die daraus resultierenden erheblichen Schuld- und Minderwertigkeitsgefühle lassen sich nicht allein mit dem Verstand verringern." 

 

Wer sollte das Buch lesen?

Das Buch richtet sich an Leser, die sich für Psychologie, Sozialwissenschaften und interkulturelle Themen interessieren. Besonders Fachkräfte im sozialen und psychologischen Bereich sowie Studierende der Psychologie und Soziologie finden in diesem Werk ein tiefgehendes Verständnis der kulturellen Hintergründe von Ehrenmorden und ähnlichen Gewaltformen. Gleichzeitig ist es auch für die breite Öffentlichkeit zugänglich und informativ, da es hilft, komplexe Mechanismen hinter oft schockierenden Taten nachzuvollziehen.

 

Was gibt es Kritisches?

Ein möglicher Kritikpunkt des Buches ist die hohe Informationsdichte. Kizilhan geht auf zahlreiche Facetten und historische Hintergründe ein, was für Laien stellenweise überfordernd sein könnte. Lobenswert sind die „Wichtig“-Kästen, die Wesentliches auf den Punkt bringen. Ein weiterer Kritikpunkt ist die recht einseitige Darstellung, die sich stark auf patriarchalische und religiös-traditionelle Strukturen fokussiert. Zwar liegt in diesen Gesellschaftsformen der Ursprung vieler Ehrenmorde und ähnlicher Gewaltakte, doch könnte eine differenziertere Betrachtung auch nicht-traditioneller Gesellschaften und der Frage, ob und wie patriarchalische Strukturen dort ebenfalls eine Rolle spielen, das Bild erweitern.

 

Was bleibt?

Gewalt im Namen der Ehre ist ein aufrüttelndes und lehrreiches Werk, das die Hintergründe von Ehrenmorden und deren psychologische und soziale Mechanismen umfassend beleuchtet. Jan Ilhan Kizilhan bietet nicht nur wissenschaftliche Erklärungen, sondern fordert präventive Maßnahmen, die weit über gesetzliche Strafen hinausgehen. Sein Buch ist eine wertvolle Lektüre für alle, die sich für die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Minderheiten einsetzen und ein besseres Verständnis für kulturelle und psychologische Dynamiken gewinnen möchten. Ein mutiges Buch, das eine Stimme für die Opfer ist und die Leser sensibilisiert, um künftig besser auf die Ursachen dieser Gewalt reagieren zu können.


Das Buch: 

  • Kizilhan, J. I. (2024): Gewalt im Namen der Ehre. Die Psychologie hinter Ehre, Sexualität, Religion und Terror, Europa Verlag, 304 Seiten, ISBN: 978-3-95890-630-3, Preis: 28,00 €

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