In seinem Buch „Anders als geglaubt“ nimmt Preston Ulmer den Leser mit, um mit Christus vor Augen Dekonstruktion zu verstehen.
Wer ist der Autor?
Preston Ulmer studiert Religion und Theologie und ist Gründer und Leiter des „Doubter’s Club“, einer Organisation, die Christen und Atheisten lehrt, in Freundschaft zu leben und gemeinsam nach der Wahrheit zu suchen. Er ist Pastor der North Point Church in Springfield (USA).
Worum geht es in dem Buch?
Um den Inhalt besser zu verstehen, gilt es das Anliegen des Autors zu erkennen. Preston selbst versteht sich als Fürsprecher der Dekonstruktion des Glaubens, weil er mit ansieht, welch Schaden bestimmte christliche Traditionen und Sichtweisen anrichten. „In vielen Ausdrucksformen des Glaubens gibt es ganze Welten von Schmerz, Angst und Manipulation, die unbedingt ein Ende finden muss.“ Er selbst erlebte seine Dekonstruktion des Glaubens und fand allein „im Leben Jesu“ seinen Glaubenshalt. Dabei hat er den christlichen Glauben keinesfalls verworfen, sondern Jesus hat ihm ein besseres Verständnis des Christentums geschenkt. „Wie schuldbeladen und weltlich uns eine Dekonversion, eine Abwendung vom Glauben, auch vorkommen mag – die rettende Gnade dafür besteht darin, selbst ein Dekonstruierender zu werden.“ Aus diesem Denken heraus vertritt der Autor die These, dass „Dekonstruktion nicht nur eine Einladung ist, sondern auch ein heiliger Prozess ist“, den man mit den Menschen seines Umfelds begehen kann. Dabei versteht er unter Dekonstruktion dies: „eine Idee, eine Praxis, eine Tradition eines Glaubens oder ein System in kleinere Bestandteile zu zerlegen, um ihre Grundlage, ihren Wahrheitsgehalt, ihren Nutzen und ihre Auswirkungen zu untersuchen.“ Und so lädt Ulmer seinen Leser ein, in die Denkweise eines Dekonstruierenden einzutauchen. Das Ziel dabei lautet: Jede Dekonstruktion soll zu einer jesuszentrierten Grundlage gelangen. Dabei geht es ihm nicht so sehr darum zu thematisieren, was man dekonstruieren muss, sondern vielmehr das Wie zu erläutern.
Wer sollte das Buch lesen?
Die Lektüre versteht sich als Einladung an Christen, die verzweifelt versuchen, eine Beziehung zu Freunden und Familienmitgliedern aufzubauen, die dem Christentum skeptisch gegenüberstehen. Daneben schreibt Ulmer das Buch auch für Christen, die sich eine Glaubenslehre mit mehr Weite wünschen. „Wichtiger als die Stabilität der christlichen Lehre scheint die Fähigkeit zu sein, wie ein echter Christ zu lieben.“
Was gibt es Kritisches?
Ohne Frage schreibt hier ein Autor, der mit diesem Buch seine eigene Glaubensdekonstruktion verarbeitet. „Historisch gesehen ist das Christentum unlösbar verbunden mit Dekonstruierenden, die heute als Helden verehrt werden.“ Sein Anliegen, einen verletzen und zerstörenden Frömmigkeitstraditionalismus zu dekonstruieren, ist zu begrüßen und hierzu hat das Buch einige Aspekte, die zum Reflektieren des eigenen Glaubens anregen. „Was, wenn die ultimative Tragödie nicht darin besteht, dass ein verlorener Mensch in die Hölle kommt, sondern darin, dass ein Christ dazu beigetragen hat, dass er dorthin kommt, indem er seine Neugier, seinen Geist des Wissens-Wollens, unterbunden hat?“ Jedoch muss auch gesagt werden, dass Ulmer an manchen Stellen theologisch fragwürdige Wege beschreitet. Wenn er z. B. dankbar dafür ist, dass Joshua Harris ihm neue Perspektiven aufgezeigt hat oder er sich für die LGBTQIA+-Community stark macht. Hierauf hat gerade Jesus Christus klare Antworten: „Jesus antwortete: »Habt ihr denn nicht gelesen, was in der Heiligen Schrift steht? Da heißt es doch, dass Gott am Anfang die Menschen als Mann und Frau schuf“ (Mt. 19,4; Hfa). Hier zeigt sich, dass Prestons Theologie dekonstruiert wurde und zwar so, dass er Gottes Wort infrage stellt und es nicht mehr als die Wahrheit ansieht. Vielmehr ist er von den persönlichen Schicksalen verletzter Menschen motiviert. Hinzukommt, dass er stark von den Ansichten des niederländischen Psychiaters Bessel van der Kolk zur Ganzheitlichkeit geprägt ist.
Weshalb sollte man das Buch lesen?
Der Autor stellt sich einem aktuellen Thema. Dabei gelingt es ihm deutlich herauszuarbeiten, dass das Herrschen von Menschen über andere und damit verbunden geistlicher Machtmissbrauch nicht die Absicht Gottes ist. Den christlichen Glauben vor diesem Hintergrund zu dekonstruieren, ist nachvollziehbar und verständlich. „Jedes Mal, wenn die Autorität menschlicher Traditionen ein Hindernis dafür darstellt, dass Menschen ein freies und erfülltes Leben führen können, geht Jesus in seiner eigenen Autorität daran, diese Traditionen zu hinterfragen.“ Allerdings sind heutige Stolpersteine, die „Freiheit“ suggerieren wie z. B. Selbstbestimmung von Ulmer zu positiv bewertet und er entfernt sich von den theologischen Spuren der Bibel. Seine Motivation ist nachvollziehbar, da er das Evangelium jedem zugänglich machen möchte, aber hier und da folgt er mehr seinem Anliegen als der göttlichen Wahrheit. „Jede Dekonstruktion wäre unvollständig, wenn es die Notwendigkeit der Rekonstruktion anerkennen würde. Das heißt den Wiederaufbau des theologischen Hauses auf der Grundlage der Worte, Taten und Überzeugungen Jesu.“ Solch ein Satz liest sich sehr positiv, aber Gottes Wort sagt in 2. Timotheus 3,16f: „Denn alle Schrift, von Gott eingegeben, ist nütze zur Lehre, zur Zurechtweisung, zur Besserung, zur Erziehung in der Gerechtigkeit, dass der Mensch Gottes vollkommen sei, zu allem guten Werk geschickt.“ Eine Verkürzung lediglich auf die Worte, Taten und Überzeugungen Jesu entspricht nicht dem, was uns Gottes Wort lehrt. Insgesamt ist das Buch nicht bedenkenlos zu empfehlen, obwohl dem Anliegen des Autors beizupflichten ist: „Die Welt muss nicht mehr davon hören, was wir glauben. Sie muss mehr davon sehen, an wen wir glauben.“
Das Buch:
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Ulmer, P. (2024): Anders als geglaubt. Mit Christus vor Augen Dekonstruktion verstehen, SCM R. Brockhaus, 224 Seiten, ISBN: 978-3-41701-012-1, Preis: 18,00 €
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