Andreas Boppart und Central Arts legen mit „Kreuzweise“ ein Buch vor, das einen unverbrauchten Blick auf das Kreuz werfen möchte.
Wer sind die Herausgeber?
Andreas „Boppi“ Boppart ist Autor, Referent und Leiter von Campus für Christus (Schweiz). Central Arts ist eine internationale Bewegung von Kreativen in Popkultur und Kirche, die sich auf die Fahne geschrieben hat, die Welt schöner zu hinterlassen, als es sie angetroffen hat, indem es Kunst und die Auseinandersetzung mit dem christlichen Glauben fördert.
Worum geht es in dem Buch?
Kreuzweise wagt den Blick weg von all den kleinen und großen theologischen Kampfschauplätzen und weist zu dem hin, was mit überzeugender Durchschlagskraft für die Existenz eines Menschen liebenden Gottes spricht. „Anstatt sich kreuzweise zu können, können wir durchs Kreuz weise werden“.
Als Leser wird man überrascht von Gott, wenn man dem Kreuzträger Simon begegnet. Die Nähe zum Gekreuzigten wird anhand von Maria von Magdala deutlich. Die erbarmungslose Gnade Gottes erweist sich beim Einblick in die Jesusbegegnung des Verbrechers, der am Kreuz dem Herrn Jesus begegnet. Dass Gott Liebe ist, erkennt der Hauptmann am Kreuz. Gottes Schalom bewegt Pilatus, bevor Maria von Nazaret die Großzügigkeit des lebendigen Glaubens erkennen darf.
Die sechs Begegnungen mit biblischen Personen und dem Kreuz sind dabei eingerahmt von persönlicher Sichtweise über das Kreuz der Herausgeber. „Es ist wichtig, uns immer wieder vor Augen zu malen, dass dieser Christus, der Gekreuzigte, am Ende der Stolperstein am Glauben ist.“
Wer sollte das Buch lesen?
Als Leser gibt es zwei Gruppen. Einerseits sind solche im Fokus, die sich mit dem christlichen Glauben auseinandersetzen möchten. Andererseits sind aber auch Christen aus verschiedenen Denominationen im Blick, um das Zentrum des Glaubens stärker zu betonen als das Trennende.
Was gibt es Kritisches?
Beim Lesen fällt auf, dass die Herausgeber eine Abhandlung ihrer theologischen Überzeugung vorgelegt haben. Sowohl in den Eingangs- als auch Schlusskapiteln wird immer wieder stark betont, dass das Trennende unter Gläubigen im Schatten des Kreuzes verblassen sollte. „Die Welt muss durch das Kreuz blickend verstanden, das Leben durch das Kreuz blickend gelebt werden.“ Hier zeigt sich deutlich die Allianz-Gesinnung der Autoren. Sie wollen weniger trennen und vielmehr einen. „Kreuzweise ist mehr als ein Buch, das noch kunstvoll dekoriert wurde. Es ist Faszination für das, was Christus für uns alle am Kreuz vollbracht hat.“ Schlussendlich möchte man „zu einer neuen Umgangskultur im Miteinander“ durchbrechen.
Allerdings durchzieht das Buch eine Art von Evangeliumsverständnis, die Fragen aufwirft. Zunächst einmal wird der Leser in den Eingangs- und Schlusskapiteln vehement darauf aufmerksam gemacht, dass die Sinnhaftigkeit „bei Glaubensthemen über vieles zu streiten“ fragwürdig ist. „Eine „hermeneutische Demut“ hilft uns dabei, mit der Bibel als Gottes Wort ernsthaft zu ringen und zu Resultaten zu kommen, die für uns maximal überzeugend sind, gleichzeitig aber Gott die Chance einräumen, uns in unserer Wahrnehmung immer korrigieren zu können.“ Dies wird damit begründet, „bei all dem Denken und Ringen nie das Herz auszuschalten und nicht den Blick auf Christus zu verlieren, Christus, den Gekreuzigten.“ Jedoch zeigt sich gerade im heutigen evangelikalen Raum, wie bedeutsam das Ringen um z. B. unverhandelbare Grundwahrheiten wie den Sühnetod Jesu, den Inhalt des Evangeliums (Gnade – Glaube – Rechtfertigung) u. v. m. ist. Diese Debatte möchte KREUZWEISE bewusst ausblenden und seinen Leser dahingehend auch beeinflussen. „Die Angst, den Kern des Evangeliums zu verlieren, hat viele mit Überlebenseifer in Verkürzungsdynamiken getrieben, die darauf ausgelegt sind, sich von anderen Strömungen stark abzugrenzen.“
Deutlich kritischer als die oben genannten Aspekte ist aber das im Buch dargelegte Evangeliumsverständnis. „Es sollte unsere Aufgabe sein, unsere eigenen Verkürzungen zu entlarven und uns zu einem ganzheitlichen Evangeliumsverständnis hinzubewegen.“ Die Herausgeber möchten dem Leser helfen, den Blick nicht auf das Kreuz zu reduzieren, sondern durch das Kreuz auf alles zu blicken. „Das Kreuz ist nicht alles – auch wenn ohne das Kreuz am Ende alles nichts ist.“ In solchen Sätzen schwingt ein neuartiges Evangeliumsverständnis mit. Hierzu einige Zitate, damit der Leser sich selbst ein Urteil bilden kann:
- „Der Sündenfall hat nicht nur mit Schuld zu tun, sondern hat uns auch ganz allgemein aus diesem erlösten Beziehungsnetz herauskatapultiert und in einen erlösungsbedürftigen Zustand versetzt. Durch den Zerbruch dieser Innigkeit ist nicht nur Schuld, sondern auch Scham und Angst – von der Kulturanthropologie oft als die drei großen vorherrschenden Dynamiken in Gesellschaften bezeichnet – zu entscheidenden Bestandteilen unseres Miteinanders geworden.“
- „Der Sündenfall war ein Schuld-Scham-Angst-Fall, ein Zerbruch der Beziehungen auf allen Ebenen, der zum Zustand der Erlösungsbedürftigkeit in alle Dimensionen von Gottes Schöpfung hinein geführt hat.“
- „Die Erlösung durch Jesus bezieht sich auf das ganze Spektrum menschlicher Sehnsüchte. Die Vergebung unserer Schuld gehört unbedingt dazu. […] Schuld ist aber nur ein Bestandteil seiner gewaltigen Erlösungstat am Kreuz, eines wahren Erlösungsfeuerwerkes.“
- „Christus‘ Erlösungstat hat uns genauso aus Scham und Angst befreit wie aus Schuld. […] Die bekannten Kulturdynamiken Schuld, Angst und Scham lassen sich nicht einfach klar abgrenzen und Schuld und Scham stehen oft auch in einem inneren Zusammenhang.“
- „Gleichzeitig ist mir [Boppi] wichtig, hier gesagt zu haben, dass ich an keinem Punkt Sünde verharmlose. Ich verstehe Sünde als das Urproblem dieser Welt, als die Trennlinie, die zwischen Gott und uns eingezogen worden ist und unter der wir und mit uns die gesamte Schöpfung ächzen und stöhnen.“
- „Es geht nicht um ein neues Evangelium, sondern darum, das Evangelium in seiner Fülle neu zu entdecken, in all seinem oft in Vergessenheit geratenen Facettenreichtum. Es geht beim Evangelium also nicht darum, etwas zu verlieren, sondern vielmehr wird längst Verlorengegangenes wieder neu entdeckt und belebt.“
Hören wir doch zu diesen Erklärungen das Wort Gottes: „22 Ich rede aber von der Gerechtigkeit vor Gott, die da kommt durch den Glauben an Jesus Christus zu allen, die glauben. Denn es ist hier kein Unterschied: 23 Sie sind allesamt Sünder und ermangeln des Ruhmes, den sie vor Gott haben sollen, 24 und werden ohne Verdienst gerecht aus seiner Gnade durch die Erlösung, die durch Christus Jesus geschehen ist. 25 Den hat Gott für den Glauben hingestellt zur Sühne in seinem Blut zum Erweis seiner Gerechtigkeit, indem er die Sünden vergibt, die früher begangen wurden 26 in der Zeit der Geduld Gottes, um nun, in dieser Zeit, seine Gerechtigkeit zu erweisen, auf dass er allein gerecht sei und gerecht mache den, der da ist aus dem Glauben an Jesus.“ (Römer 3,22-26; LUT)
Ein weiterer Aspekt, der dem Leser auffällt, ist, die starke Tendenz hin zur Ökumene. „Wir sind Trägerinnen und Träger der Gegenwart Gottes, des Schalom, und Gott fordert uns dazu auf, unsere Beziehungen zu schalomatisieren.“ Immer wieder werden kirchliche Praktiken hinterfragt und es wird dafür geworden, diese trennenden Unterschiede hinten anzustellen. „Gott sein Dank hängt unser Heil am Ende nicht von der bis ins Detail korrekten Heilslehre ab, von einer bis in den hintersten Winkel zurechtgefegten Dogmatik.“ Ebenso wird immer wieder positiv über die Serie The Chosen berichtet, die die Autoren als Paradebeispiel für eine gelungene Darbietung des Evangeliums ansehen.
Zuletzt ein eher haptischer Aspekt. Das Buch wurde mit einem Buchdeckel aus Papier gestaltet, der unhandlich ist. Das Blättern fällt schwer und auch die Lagerung in der Hand ist weniger lesefreundlich. Ob dies aus klimafreundlichen Aspekten oder aus künstlerischem Antrieb heraus geschehen ist, ist nicht klar zu erkennen.
Weshalb sollte man das Buch lesen?
„Es lohnt sich, Gott nicht aufzugeben und nach ihm zu suchen.“ Diesem Appell und Wunsch der Herausgeber ist beizupflichten. Ob jedoch KREUZWEISE dazu beiträgt, ist fragwürdig. Beim Lesen wird man ohne Frage Aspekte erkennen, die zur Selbstreflexion anregen. Auch gibt es gelungene Impulse, um auf das Rettungsgeschehen Gottes am Kreuz hinzuweisen. Jedoch sind es die „neuen Töne“ im Bereich der Ökumenisierung der Evangelikalen und v.a. in der Neuartigkeit eines ganzheitlichen Evangeliumsbegriffes. Schlussendlich ist KREUZWEISE die Darlegung eines humanistischen Evangeliums, das Matthäus 1,21 nicht mehr ernst nimmt: „Und sie wird einen Sohn gebären, dem sollst du den Namen Jesus geben, denn er wird sein Volk retten von ihren Sünden.“ Deshalb kann zum Kauf der Lektüre nicht geraten werden.
Das Buch:
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Boppart, A. u. Central Arts (2023): KREUZWEISE. Sechs Begegnungen mit dem Christus rund ums Kreuz, SCM R. Brockhaus, 192 Seiten, ISBN: 978-3-41701-001-5, Preis: 20,00 €
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