Herder-Studienbibel
Die Bibel möchte studiert werden. Der Herder Verlag möchte Bibellesern mit seiner Studienbibel dazu Möglichkeiten eröffnen.
a) Übersetzung
Die vorliegende Studienbibel beinhaltet die deutsche Übersetzung aus Herders Bibelkommentar und aus dem „Psalmenbuch“, das von den Benedektinern der Erzabtei Beuron herausgegeben wurde. Deren Texte wurden für die Ausgabe 1966 in Abstimmung mit der Jerusalemer Bibel revidiert. Im Jahr 2005 erfolgte eine Revision durch Johannes Franzkowiak. Herausgekommen ist eine überzeugende Übersetzung, die durch „ausdrucksstarke Worttreue“ und „monumentale Sprachgewalt“ glänzt, so die Herausgeber. Für den Leser sind vielmehr die Formulierungen nicht so schnell zu erschließen, was wiederum der Auslegung mehr Raum gibt und vor Interpretation seitens des Übersetzers bewahrt. So liest sich Psalm 23: „Der Herr ist mein Hirte, ich leide nicht Not; auf grünender Weide lässt er mich lagern. Er führt mich an Wasser der Ruhe, Erquickung spendet er meiner Seele. Er leitet mich auf dem rechten Pfad, getreu seinem Namen.“ Oder im Neuen Testament sei auf Markus 9,23b verwiesen: „Alles ist dem möglich, der glaubt“ im Vergleich zur Einheitsübersetzung „Alles kann, wer glaubt.“
b) Theologische Ausrichtung
Die Herder-Studienbibel ist von ihrer römisch-katholischen Prägung gekennzeichnet. Der Bearbeiter Johannes Franzkowiak, Dr. theol., studierte katholische Theologie in Bochum und Würzburg, Studium der Ägyptologie in Basel, Lektor .R. beim Katholischen Bibelwerk, Stuttgart. Dies zeigt sich u.a. schon im Umfang, da das Alte Testament der röm.-kath. Tradition umfangreicher ist, weil es sieben weitere „deuterokanonische“ Bücher enthält. Im Neuen Testament finden sich hingegen die üblichen 27 Schriften, die innerhalb der Alten Kirche normativen Charakter erhielten und den Kanon des NT bilden.
c) Geistlicher Mehrwert
Die Herder-Studienbibel präsentiert in übersichtlicher Darstellung wichtige exegetische Erkenntnisse und umfassendes Hintergrundwissen. Jedem biblischen Buch geht eine ausführliche Einleitung voran. Dem Bibeltext sind Parallel- und Vergleichsstellen beigegeben. Der umfangreiche Anhang bietet eine Fülle weitergehender Informationen, u.a. eine Zeittafel, einen Evangelienschlüssel und farbige Karten.
Gerade bei den Kommentierungen sollte man genauer hinschauen, da hier Erkenntnisse der historisch-kritischen Methode Vorrang gegenüber dem historisch-grammatischen Wortlaut gegeben werden. Gleich zu Beginn kommentiert Franzkowiak: „Der Verfasser verarbeitet babylonisch (Marduks Chaosdrachenkampf) und ägyptische Mythologumena (die Erschaffung der Dinge durch das göttliche Wort). […] Die Formung des Menschen aus Lehm dürfte auf altägyptische Vorstellungen zueückgehen.“ Besonders auffällig zeigt sich diese Schriftdeutung im Bereich der Jungfrauenthematik. „Das Geburtsorakel spricht von einer heiratsfähigen „jungen Frau“, nicht, wie die von Vorstellungen der hellenistischen Kultur geprägte Septuaginta, die […] an eine wunderbare Zeugung aus einer Jungfrau denkt.“ Diese Denkweise wird auch im NT fortgeführt. „Anders als die Septuagintaversion des Prophetenwortes Jesaja 7,14 redet der hebräische Text von einer jungen Frau“.
Ohnehin wirken die Kommentierungen eher wie eine Interpretation zugunsten der Erkenntnisse des Kommentators, statt sich auf reine Informationen zu beschränken, wodurch m. E. der Bibeltext inhaltlich stellenweise revidiert wird (s. o.). Dies zeigt sich u. a. daran, dass Berichte zu Legenden und Erzählungen herabgestuft werden. Des Weiteren geht Franzkowiak über das Geoffenbarte hinaus und bringt Spekulationen – nach seiner persönlichen Auffassung – vor. Alles Unerklärliche wird zu einem Mythos oder soll nur symbolisch verstanden werden (z. B. sieht der Kommentator die Schöpfung als Mythos an).
d) Persönliche Highlights:
Für einen Blick über den Tellerrand eignen sich die Kommentierungen stellenweise, da Franzkowiak das Verständnis und universitäre-theologische Denken aufzeigt. Der umfangreiche Anhang bietet neben Informationen zu Maßen, Gewichten und Münzen der Bibel u.a. einen Evangelienschlüssel, der den Inhalt des Evangeliums sachlich geordnet aufgliedert, sowie eine unter Berücksichtigung neuester Forschungsergebnisse neu erstellte Zeittafel. Hier gilt aber auch wieder, dass nicht das Wort Gottes Maßstab, sondern menschliche Forschung den Ton angibt. Ganz- bzw. doppelseitige farbige Karten geben Aufschluss u.a. über die Lage wichtiger biblischer Orte, zur baulichen Entwicklung der Stadt Jerusalem oder die Ausbreitung des Christentums. Diese Karten sind eine gute Ergänzung zu anderen Bibelausgaben und deren Kartenmaterial.
e) Fazit:
Hinsichtlich der Übersetzung liegt eine formäquivalente Textgestalt vor, wodurch der Leser sich intensiver mit dem Text auseinandersetzen muss. Das ist grundsätzlich zu begrüßen. Die Kommentare sind jedoch weniger hilfreich. Deshalb ist die Studienbibel nicht uneingeschränkt zu empfehlen, da sie die historisch-kritische Methode konsequent anwendet und somit das Göttliche aus den Texten entfernt und allzu menschliche Erklärungsversuche anbietet. Wer persönlich fest im Glauben steht und sein Fundament in Gottes Wort hat, der wird mit dem „Blick über den Tellerrand“ umgehen können und aus den historischen und kulturgeschichtlichen Hintergrundinfos das ein oder andere herausholen können.
Hier geht es zur Leseprobe.
Die Studienbibel:
- Franzkowiak, J. (2012): Die Bibel. Herder-Übersetzung mit Kommentar und Erläuterungen, Herder Verlag, ISBN: 978-3-45132-500-7, Preis: 49,99€
erhältst du im Buchhandel oder direkt hier.
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