2020 war in IDEA Spektrum zu lesen, dass man in liberalen Kreisen darüber nachdenke, den Sonntag an die Gewohnheiten und Herausforderungen des Hier und Heute anzupassen. Gottesdienste sollten familienfreundlicher sein und der Belastung durch den Beruf entgegenkommen. Daniel Wilson, anglikanischer Kirchenführer, legt mit „Sonntag – der besondere Tag“ ein Standardwerk vor, um Gedanken weiterzugeben, die den Stellenwert des göttlichen Ruhetages aufzeigen.
Der Autor war Bischof der anglikanischen Kirche. Als sechster Bischof von Kalkutta brachte er das Evangelium nach Kalkutta (Indien), worin sich sein Herz für die Mission bezeugt. Der Theologe Wilson gilt als jemand, der sehr eifrig und intensiv in seiner Arbeit war, was sich im folgenden Werk auch zeigt. Eine seiner Grundfesten war die Allgenügsamkeit der Schrift. „Die Autorität religiöser Wahrheit, wie sie in der Bibel offenbart wird, beruht auf der unendlichen Vollkommenheit Gottes“. Darüber hinaus prägte Wilson die evangelikale Bewegung innerhalb der anglikanischen Kirche des 19. Jahrhunderts und gehörte u. a. zu der „Clapham Gruppe“ um den anglikanishcen Sozialreformer, Politiker und Sklavenbefreier William Wilberforce. Weiterhin war er Mitgründer der 1831 ins Leben gerufenen „Lord’s Day Observance Society“, die sich für eine umfassende Sonntagsheiligung in der breiten Öffentlichkeit bemühte.
Das vorliegende Buch ist ein Klassiker der englischsprachigen, christlichen Literatur. Schon während des Lesens merkt man, welche Aktualität und Relevanz die praktische Bedeutung einer recht verstandenen Sonntagsheiligung für den Menschen des 21. Jahrhunderts hat. „Unser Herr hat das Grundgesetz der Schöpfung oder das vierte Gebot nie gelockert, sondern es nur gegen die falschen Deutungen der jüdischen Schriftgelehrten verteidigt, und es ansonsten in mehr als seiner ursprünglichen Würde und Kraft belassen“.
Wilson hat seinen sieben Predigten zunächst einen Hirtenbrief vorangestellt, der auf Anfragen aus seiner Zeit im 19. Jahrhundert eingeht. Doch sind die Vorwürfe von gestern auch heutzutage vorhanden. „Der Zeitgeist neigt eher zum intellektuellen Stolz, als zur nüchternen Ausübung der Erkenntnis im Gehorsam des Glaubens“. Und so ist für den Autor nur die Bibel ein verlässlicher Führer – entgegen den Anregungen aus dem eingangs erwähnten Artikel.
Inhaltlich entstammt der Kerninhalt der sieben Predigten aus dem Herbst 1827. Den Leser darf nicht verwundern, dass Wilson von Dispensationen spricht. Dies tut er nach seinem reformatorischen Verständnis, das nicht mit der eschatologischen Lehre des Dispensationalismus zu verwechseln ist. „Ohne den Sonntag als Ruhetag würde in der Gesellschaft in der Tat nie eine Zeit für jene Pflichten eingeräumt, die ja, wenn sie jedem selbst überlassen blieben, nicht obligatorisch wären“. Und so macht er sich in den ersten vier Predigten daran, die Grundlagen für den Ruhetag zu untersuchen. Dabei geht es ihm darum, Gründe zu formulieren, weshalb der siebte Teil der Wochenzeit ausschließlich dem Herrn vorbehalten ist. Die tiefgründigen Gedanken des Autors sind eine Bereicherung für jeden Christen, da Wilson aufzeigt, dass es primär erst mal nicht um einen speziellen Wochentag an sich geht, sondern um eine Schöpfungsordnung, die sechs Werktage und einen Ruhetag vorsieht. Die fortwährende Geltungskraft eines wöchentlichen Ruhetages wird u. a. dadurch begründet:
- „seine Einsetzung im Paradies,
- seine feierliche Einfügung in den Dekalog,
- die Stellung, die er unter dem mosaischen Gesetz innehat,
- der Nachdruck, mit dem die Propheten auf ihm als einer der vorangigen und weltweiten Verpflichtungen der Glaubenspraxis beharren,
- und die Einhaltung derselben durch die Apostel, göttlich angeleitet, den christlichen Glauben zu gründen, und durch alle unmittelbar von ihnen unterwiesenen frühen christlichen Gemeinden.“
In den Predigten fünf bis sieben blickt Wilson dann auf die praktischen Pflichten des christlichen Ruhetages, auf dessen Einhaltung und die Über seiner Vernachlässigung. Seinen beweiskräftigen Predigten hat er dabei praktische Ermahnungen hinzugefügt, die damals wie heute aktuell sind. „Die Lehre vom Tag des Herrn – sie ist Teil der barmherzigen Offenbarung Gottes bezüglich seines Willens für die Menschen“.
Das Werk ist nicht umsonst ein Standardwerk, da es sich umfassend und tiefgründig mit der Thematik des christlichen Ruhetages auseinandersetzt und biblische Argumente aufzeigt, weshalb es einen Tag zur seelischen Erholung gibt und warum eine Verschiebung vom jüdischen Sabbat auf den christlichen Sonntag vollzogen worden ist. „Die verschiedenen Modi, in denen der [christliche Ruhetag] dem Menschen dargeboten wurde, sind nicht isoliert, geschweige denn willkürlich, sondern Haushaltungen der Barmherzigkeit, Abteilungen im großen Fortschritt der Erlösung des Menschen durch Jesus Christus, neue Verheißungen der ´Ruhe, die dem Volk Gottes vorhanden ist‘“.
Die Lektüre empfiehlt sich jedem Gläubigen, der sich tiefgehender mit Gottes Ruhetag für die Seele beschäftigen möchte. Die Argumentation Wilsons erfordert dabei aktives Mitdenken, da seine Sätze mitunter komplex gehalten sind. Dankbarerweise hat der Verlag für eine gute Lesbarkeit und behutsame Angleichung der Sprache gesorgt. „Die Schöpfung ergoss ihre ersten Wohltaten auf den Menschen, der Abkömmling seines Gottes, für welchen, durch alle Bande der Dankbarkeit an einen allmächtigen Herrn, der Tag der Ruhe für ihn verbindlich ist“.
Sonntag – der besondere Tag sollte auch in unserem Kulturkreis gelesen werden, um der voranschreitenden Entheiligung des Ruhetages mit theologischen und biblischen Argumenten entgegenzutreten. Der Zeitgeist schläft nicht und der Widersacher nutzt alle Werkzeuge, um die Gläubigen ihrer Gemeinschaft mit Gott zu berauben. Doch der christliche Ruhetag ist eine Segenswohltat, die nicht vernachlässigt werden darf.
Das Buch:
- Wilson, D. (2021): Sonntag – der besondere Tag, Sola Gratia Medien, 320 Seiten, ISBN: 978-3-948475-07-9, Preis: 14,90€
erhältst du im Buchhandel oder direkt hier.
Kommentar schreiben