Wann ist ein Christ ein Christ?

2017 war das 500jährige Jubiläum der Reformation. Kern des historischen Ereignisses 1517 war die Wiederentdeckung der Rechtfertigung des Sünders allein aus Glauben. „Bei der Beantwortung der Frage, Wann ist ein Christ ein Christ?, stellt man fest, der Kampf um die Rechtfertigung ist keineswegs vorüber“. Wolfgang Nestvogel, Pfarrer, Dozent und Autor möchte mit „Wann ist ein Christ ein Christ?“ vor Vergesslichkeit bewahren.

Der promovierte Theologie Nestvogel war von 2001 bis 2010 Dozent für Praktische Theologie an der Akademie für Reformatorische Theologie, wo er seit 2005 auch die Stelle als Rektor ausfüllt und ist Pastor der Bekennenden Evangelischen Gemeinde Hannover.

 

Gleich zu Beginn betont der Verfasser: „Rechtfertigung ist kein Schreibtischthema für theologische Zirkel“. Schließlich geht es beim Kampf um die Rechtfertigung schlichtweg um die alles entscheidende Frage: Wie kann ein Mensch vor Gott bestehen?

 

Und so möchte Nestvogel seine Leser darüber informieren, wie Luther und seine Mitstreiter die Rechtfertigung in der Bibel entdeckten und diese dann der Allgemeinheit erklärten. In diesem historisch geprägten Kapitel möchte der Autor das Herzensanliegen der Reformation neu vor Augen stellen. Anhand der EKD-Denkschrift „Rechtfertigung und Freiheit“ wird aufgezeigt, wie stark mittlerweile diese Lehre in evangelischen Kreisen umgedeutet und anpassungsfähig gemacht wird. Die Katholische Kirche war von Anfang gegen Luthers Erkenntnis, doch heutzutage sind es vermehrt auch evangelische und evangelikale Theologen, die die Kernwahrheiten der Reformation in Frage stellen.

 

Im sich anschließenden Kapitel wird das Herzstück des Römerbriefes – Rechtfertigung – beleuchtet. Dabei möchte Nestvogel aufzeigen, wie Gott durch den Apostel Paulus die Grundlagen der Rechtfertigung in der Bibel offenbarte. Auf knapp dreißig Seiten erhält der Leser eine theologisch fundierte Auslegung der ersten acht Kapitel des Römerbriefes, um zu verstehen, was vor 500 Jahren für Aufschrei sorgte und bis zur Wiederkunft Jesu sorgen wird. Schlussendlich zielt Gottes Rechtfertigung auf die Antwort des persönlichen Glaubens ab und eben nicht auf die konfessionelle Zugehörigkeit.

 

Im dritten Kapitel geht der Verfasser auf die Neue-Paulus-Perspektive ein, die in jüngster Zeit einen neuen Angriff auf die Lehre der Rechtfertigung darstellt. „Strategischer Ausgangspunkt der NPP ist die Kritik am Rechtfertigungsverständnis der Reformation, das mit den biblischen Vorgaben nicht vereinbar sei“. Die NPP treibt einen Keil zwischen Paulus und Luther und erfindet dabei eine Karikatur der biblischen Rechtfertigung. Vor dem Hintergrund des immer stärker werdenden Einflusses – v. a. in theologischen Ausbildungsstätten von z. B. N. T. Wright – ist dieses Kapitel von höchster Aktualität. Denn es stellt die Frage, ob die NPP eine neue Version des Evangeliums darstellt (s. dazu auch die Buchbesprechungen von N. T. Wright auf lesendglauben.de).

 

Das vierte Kapitel thematisiert den modernen Streit um die Rechtfertigung und blickt auf den Herzschlag der Verkündigung. Anhand der 1999 verfassten Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre, die sowohl katholische als auch evangelische Vertreter unterzeichneten und als Meilenstein der Ökumene preisen, wird deutlich, dass „die Verwendung gleicher Begriffe bei unterschiedlicher inhaltlicher Füllung eine Einmütigkeit suggeriert, die in Wirklichkeit nicht besteht“. In den Analysen des Autors wird eines deutlich: „Unsere Stellung zur Rechtfertigung bestimmt den Herzschlag unserer Verkündigung“!

 

Die vorliegende Untersuchung ist anspruchsvoll, aufrüttelnd und alarmierend, denn sie zeigt schonungslos auf, dass Rechtfertigung allein der Zusammenhang von solus  Christus, sola gratia und sola fide ist. Wenn ein Aspekt abgeschwächt oder weggelassen wird, dann fehlt ein Kernelement des biblischen Evangeliums. „Die Berufung auf das gemeinsam bekannte Apostolikum als hinreichende Grundlage christlicher Gemeinschaft und gemeinsamen Evangelisierens bedeutet einen Verzicht auf die Rechtfertigung als Kriterium des Christseins“.

 

Nestvogels Schreibstil ist klar, kompromisslos und deutlich, da es sich um eine Kernwahrheit des Glaubens handelt. Die Lektüre wird den Leser wachrütteln, ihm neue Einblicke geben, die oberflächlich schwer zu erkennen sind und ihm helfen, moderne Phänomene wie z. B. „evangelikale Katholiken“ besser einzusortieren. Zudem bestätigt die Untersuchung die Diagnose, die David F. Wells in seiner Ausarbeitung No Place for Truth bereits 1993 für die Evangelikalen v. a. in den USA formulierte. Well beschrieb ein „Verschwinden von Theologie“, eine fortschreitende Ent-Theologisierung, die ein Vakuum hinterlasse, das von anderen weltanschaulichen Inhalten gefüllt werde.

 

 

Wann ist ein Christ ein Christ?, kann als Weckruf zu gesunder biblischer Theologie verstanden werden und wird dem offenen Leser so manche Wahrheit vor Augen stellen, die ihn zum Reflektieren der eigenen Glaubensüberzeugungen bringen wird. Der Bibellehrer Benedikt Peters bringt es treffend auf den Punkt: „Ein wichtiges Buch mit einer für unsere Zeit absolut notwendigen Botschaft, vorgetragen mit großer Dringlichkeit. Es informiert, es klärt auf, es befestigt in der Wahrheit, es hilft, Position zu beziehen gegen die zahllosen Formen der Verwässerung und Verdrehung des Evangeliums von der Rechtfertigung des Sünders.“ 

 

Hier geht es zur Leseprobe.


Das Buch:

  • Nestvogel, W. (2018): Wann ist ein Christ ein Christ? Der Kampf um die Rechtfertigung (2. Aufl.), EBTC Verlag, 248 Seiten, ISBN: 978-3-94719-603-6, Preis: 12,90€

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