Was ist Gebet?

John Bunyans „Die Pilgerreise“ ist eines der bekanntesten Bücher der Welt. Christen und Menschen der säkularen Welt sind von den Bildern und Allegorien fasziniert. Doch der Baptistenprediger Bunyan war nicht nur ein ausgezeichneter Schriftsteller, sondern vor allem ein Mann des Glaubens. Mit dem Doppelband „Was ist Gebet?“ begegnet der Leser dem Mann, der in seinem Leben ganz auf Gott ausgerichtet war.

Der Grund für die Herausgabe des Doppelbandes liegt in der engen Verbundenheit der beiden Werke miteinander. 1662 erschien der erste Teil. Zu dieser Zeit war Bunyan bereits im Männergefängnis in Bedford inhaftiert, weil er sich dem Formalismus des Allgemeinen Gebetsbuches widersetzt hatte. „Gebet öffnet das Herz Gottes, und es ist ein Mittel, durch das eine leere Seele gefüllt wird“. Vor diesem Verständnis möchte Bunyan seinem Leser Folgendes aufzeigen:

• den Unterschied zwischen öffentlichem und persönlichem Gebet.
• den Unterschied zwischen dem Gebet im Herzen und dem mit hörbarer Stimme
• den Unterschied zwischen dem Geschenk und der Gnadengabe des Gebets 

Doch vor allem will er das Herzstück des Gebets benennen, „ohne das alles Erheben der Hände, der Augen und der Stimme zwecklos ist: Ich will mit dem Geist beten“.  Seine Grundüberzeugung über das wahre Gebet lautet dabei: „Gebet ist ein aufrichtiges, bewusstes und hingegebenes Ausschütten des Herzens oder der Seele gegenüber Gott durch Christus in der Kraft und unter dem Beistand des Heiligen Geistes“. Und so blickt er theologisch tiefgründig auf „die Pflicht eines jeden Kindes Gottes“. Denn „das Gebet ist ein Gnadenmittel Gottes, durch das sich ein Mensch sehr stark in die Nähe Gottes begibt“.

Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass die Ausführungen vor dem Hintergrund seiner Entstehung in manchen Teilen verortet werden müssen, was aber der Gesamtaussage keinen Bedeutungsverlust beimisst. Vielmehr wird der Leser in die Herzenswindungen mit hineingenommen, die Bunyan in diesen Fragen umhertrieben. Der Autor fand seine Antworten nicht in der Mystik, sondern ausschließlich in Gottes Wort, weshalb die Lektüre gerade für unsere heutige Zeit sehr wegweisend sein kann. Besonders das fünfte Kapitel, welches sich dem Gebrauch und der Anwendung des Betens widmet, wird sowohl informative als auch ermutigende sowie ermahnende Aspekte in Bezug auf das Beten zu Tage fördern, die heute eher weniger Erwähnung finden. „Achten Sie darauf, dass Sie das Gebet nicht wegen einer Überzeugung aufgeben, die Sie plötzlich überkommt, etwa dass Sie den Geist nicht hätten oder nicht mit dem Geist beten würden“.

Der zweite Teil ist eines von zehn Manuskripten, welches sich druckfertig im Nachlass von Bunyan nach seinem Tod fand. Der Autor blickt in dieser Auslegung auf die Bibelpassage aus Hebräer 4,16 und bespricht fünf angedeutete Dinge.

1. Gott hat nur mehr als einen Thron der Gnade.
2. Gläubige können den einen Thron von dem anderen unterscheiden.
3. Welche Personen in dem Text angesprochen werden.
4. Wie man sich dem Thron der Gnade nähern soll.
5. Welche Beweggründe für die Ermahnung vorliegen.   

Bunyan folgt in seinen Erläuterungen der reformatorischen Sichtweise, dass es kein wortwörtliches Tausendjähriges Reich gibt, weshalb er den Richterstuhl Christi mit dem Endgericht zusammenlegt. Die Ausführungen sind theologisch anspruchsvoll. Bunyan bietet Schwarzbrot, das aber gut zu verdauen ist, da er sehr strukturiert argumentiert und um das Verständnis des Lesers bemüht ist. So war es horizonterweitern zu lesen, welche Bedeutung Bunyan dem Regenbogen in Bezug auf die Gerechtigkeit Christi beimisst. Wer allein schon die unzähligen Bibelstellen nachschlägt, wird einen immensen Gewinn für sich persönlich verbuchen können. Ein offenes Herz wird durch die Ausführungen und das Wirken des Geistes zur Gnade in Christus geführt und kann durch die Lektüre erstmalig oder erneut ein tiefes Bewusstsein für Gottes Zuwendung in Christus erkennen.

Der Doppelband bietet sowohl Suchenden als auch Fragenden reichliche Antworten. Einerseits spricht Bunyan offen Hindernisse an, die es auf der Seite des Menschen beim Beten geben kann. Doch bleibt er dabei nicht stehen, sondern erklärt anhand von Gottes Wort sowie praktischen Anwendungen, wie diese überwunden werden können. Des Weiteren führt der zweite Teil weiter aus, unter welchen Bedingungen ein Mensch beten kann. Er erklärt anschaulich und alltagstauglich, „welche Segnungen und Gebetserhörungen Gott seinen Kindern schenkt, wenn sie zu diesem Ort im Gebet kommen und sich an Christus wenden“. 

Insgesamt ist der Doppelband eine theologisch tiefgehende sowie zu Herzen sprechende Auslegung zum Thema Gebet. Es braucht allerdings einiges an Lesebereitschaft, um den Aufwand der „vielen Worte“ des Autos für sich zu erschließen.