Gemeinsam Gemeinde gestalten

Der Mensch liebt ein gewisses Maß an Sicherheit. Gerade im Bereich des christlichen Glaubens scheint diese Sicherheit zurzeit verstärkt in einem „Neodogmatismus“ gesucht zu werden. In der Kurzfassung versteht sich darunter: Früher war alles besser und biblischer. Tobias Faix, Professor für Praktische Theologie an der CVJM-Hochschule Kassel und die ausgebildete Religions- und Gemeindepädagogin, Cornelia Krämer, möchten in „Gemeinsam Gemeinde gestalten“ diesen Ansichten mutig widersprechen und ein Plädoyer für die Entdeckung des Potenzials Jugendlicher halten, um miteinander zukunftsfähiger zu werden.

Das Autorenduo blickt in sieben Kapiteln auf die Aufgabe gemeinsam Gemeinde zu gestalten. Zunächst beleuchten sie was Gottes Idee von Gemeinde ist und wie dieser Ort als Stätte des gemeinsamen Glaubens und Zweifelns dient. Dabei betonen sie das Einüben einer Ambiguitätstoleranz. Darunter versteht man „das Aushalten von Uneindeutigkeiten, konkret das Ertragen zweier oder mehrerer konträrer vager Meinungen“. In diese Ausführungen zeigt sich die emergente Prägung des Tobias Faix, die der Rezensent nicht teilt. Besonders wenn es um den „Traum von Gemeinde“ geht, zeigt sich ein soziales Evangelium.

In diesem Zuge sei erwähnt, dass sich emergentes Denken mit den Herausforderungen beschäftigt, die durch das Zusammenkommen von Kultur und Evangelium im Kontext von Kirche und Gemeinden entstehen. „Im Zentrum steht dabei die Frage, wie die christliche Botschaft in der aktuellen Wirklichkeit unserer Gesellschaft verkündigt und gelebt werden kann“. Zum besseren Verständnis der emergenten Bewegung sei auf die wichtige Publikation „Verführung auf leisen Sohlen“ des Maleachi-Kreises hingewiesen. Ergänzend empfehle ich den Vortrag des deutschen Evangelisten, Verlegers, Autors und Buchhändlers Wolfgang Bühne, der die theologischen Hintergründe der emergenten Bewegung treffend analysiert hat. Allerdings steht bei vorliegendem Buch nicht die Theologie im Vordergrund, sondern das Fragen nach der Integration junger Menschen. 

Die drei folgenden Kapitel beleuchten die Jugend. Die dargestellten Inhalte sind sehr bedeutsam vor dem Hintergrund junge Menschen zu verstehen und sie in die Gemeinde vor Ort zu integrieren. Zahlreiche Studienergebnisse werden zusammengefasst dargestellt.

Die nächsten Kapitel widmen sich einem Herzensanliegen der Autoren: Mentoring. Faix/Krämer betonen hierbei besonders die individuelle Begleitung und stellen dem Leser ein praxiserprobtes Mentoringkonzept vor.

Das abschließende Kapitel stellt wichtige Rahmenbedingungen vor, die für ein zielorientiertes Mentoring nützlich sind.

Die Stärken des Buches liegen in seiner Aufarbeitung zum besseren Verständnis der heutigen Jugendlichen. Hervorzuheben ist dabei, dass das Verfasserduo nicht nur ein Loblied auf die Jugend singt, sondern durchaus reflektiert betont, dass 1. Timotheus 4,14 den Generationenpfeil betont. „Die Älteren bilden dabei das stabile Ende und geben dem Pfeil durch ihr Gewicht und ihre Erfahrung die Stabilität. Die mittlere Generation bildet das Gerüst der Gemeinde und die Jungen sind die Spitze, die neue Wege gehen“.

Das Buch ist vor allem Gemeindeleitern und Menschen in Verantwortung für Jugend- und Teenkreis empfohlen. Neben Einblicken in das Denken der heutigen Jugend bieten die Autoren auch hilfreiche Modelle (Stufe- und Phasenmodell nach E. H. Erikson oder Theorie der Glaubensentwicklung nach J. W. Fowler), um das Dargestellte besser nachvollziehen zu können. Das alles dient der Förderung der individuellen Sprachfähigkeit eines im Glauben stehenden jungen Menschen, der sich in seine Gemeinde kreativ einbringt. „Vielleicht braucht es in Gemeinden nicht nur Grund-, Basic- oder Alphakurse, sondern die gezielte Förderung eines mündigen, eigenständigen Glaubens.“

Gemeinsam Gemeinde gestalten ist ein Buch, welches Ansätze, Aspekte und Anregungen bietet, um das Potenzial Jugendlicher zu entdecken, damit ein zukunftsfähiges Miteinander in der Gemeinde vor Ort gelebt werden kann. Die Persönlichkeitsentwicklung des Einzelnen sowie das Mündigwerden im Glauben stehen dabei im Fokus. 

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