In der evangelischen Theologie benennt man das neue Leben des Christen aus der Rechtfertigung als Heiligung. In der römisch-katholischen Theologie bezeichnet der Begriff die Intensivierung der Christusverbundenheit durch die Sakramente. Der reformierte Pastor, Autor und Professor für Systematische Theologie, R. C. Sproul (1939-2017), möchte in „Gott wohlgefällig leben“ die Bedeutung und Wichtigkeit der Heiligung für das Alltagsleben des Gläubigen entdecken.
In unserer heutigen Ich-fokussierten Welt hat das Streben nach Heiligung keinen besonders hohen Stellenwert. Vornehmlich geht es darum, dass die eigenen Bedürfnisse sofortige Befriedigung erlangen müssen. Unabhängig von Trends, Kulturen oder Meinungen ist der Verfasser der Auffassung, dass das Geheiligtsein – das Abgesondertsein von der Welt – ein wichtiger Teil unseres Weges mit dem Herrn Jesus ist. „Jeder Christ sollte leidenschaftlich danach trachten, Gott zu gefallen“.
Mit dem vorliegenden Buch hat Sproul keine theologische Abhandlung zum Thema Heiligkeit verfasst. Dies hat er stärker in „Die Heiligkeit Gottes“ (CLV Bielefeld) getan. Vielmehr gibt er einen tiefgehenden Einblick in Gottes Plan und Weg zur geistlichen Reife. „Dieses Buch ist als praktischer Begleiter für das Leben als Christ gedacht“. In den 15 Kapiteln beleuchtet der Autor unterschiedliche Aspekte, welche die Bedeutung und Wichtigkeit der Heiligung dem Leser vor Augen stellen.
Die ersten drei Kapitel verstehen sich aus Sicht des Rezensenten als Hinführung. Zunächst zeigt Sproul – ausgehend von Markus 8 – anhand der Heilung eines Blinden, wie das Werk der geistlichen Vervollkommnung ihren Anfang in der Wiedergeburt hat. Davon ausgehend beginnt der Prozess der Heiligung. „Der Fortschritt wird durch den innewohnenden Heiligen Geist gewährleistet, der sich weigert, uns stillstehen zu lassen“. Dabei ist sich Sproul jedoch bewusst, dass „in Bezug auf die Vollendung unserer Heiligung wir auf den Himmel warten müssen“. Wie im Sport, so muss auch ein Christ das Ziel vor Augen haben. Matthäus 6,33 ist für Sproul das Ziel, welches Christen hier auf Erden vor Augen haben sollen. „Das große, übergreifende Ziel des Christenlebens besteht darin, dem König zu gehorchen“. In diesem Zuge betont er die Bedeutung von geistlicher Disziplin, um Gerechtigkeit zu erlangen, warnt aber im gleichen Atemzug davor, dass Geistlichkeit und Frömmigkeit keine Selbstläufer sind oder zum Selbstzweck dienen. „Gerechtigkeit besteht darin, zu tun, was in Gottes Augen richtig ist“. Anhand der Pharisäer zeigt der Verfasser nun ganz praktisch auf, wie eine geheuchelte Frömmigkeit aussieht. „Die Ursprünge des Pharisäertums wurzelten in edlen Beweggründen. Doch schon bald entartet ihr Lebensstil zu einer äußerlichen Form von Frömmigkeit, die in Selbstgerechtigkeit verwurzelt war“.
Die nächsten drei Kapitel widmen sich dem dreifachen Kampf, in dem sich der Gläubige befindet. Martin Luther sprach vom Kampf mit der Welt, dem Fleisch und dem Teufel. „Zum Teil besteht der Prozess der Heiligung darin, dass wir gegen diese Feinde kämpfen und auch mehr und mehr über sie triumphieren dürfen“.
Nach dem Kampf blickt Sproul auf den Verkläger, dessen lähmende Auswirkung sowie das Gegenmittel der Vergebung. Ein paar Zitate hierzu:
- „Wenn wir sündigen, können wir sowohl die Anklage Satans als auch die Überführung des Heiligen Geistes erfahren.“
- „Schuld verschwindet nur, wenn wir mit Gott ins Reine kommen.“
- „Wenn Gott einem Menschen Vergebung zuspricht, dann ist dieser Person wahrhaftig, objektiv, real und im vollen Maß vergeben“.
Die nächsten vier Kapitel beleuchten die Gefahr des fleischlichen Christseins. Sproul versteht es, neben der wundervollen Vergebung auch die Herausforderung des Christseins darzulegen. „In gewissem Sinn wir es im Leben erst richtig kompliziert, wenn man ein Christ wird“. Hier geht er näher auf die Irrlehren des Antinomismus und Perfektionismus ein, die auf einem falschen Verständnis von Gnade und Vergebung beruhen. Diesem Kapitel schließt sich die dreifache „Triade der Laster“ an, die die Wirksamkeit der Heiligung verhindern. Mit dem Streben nach Autonomie begeht der Mensch die Ursünde des Stolzes. „Vernichtender Stolz zeigt sich in der zerstörerischen Episode der Menschheitsgeschichte“. Mit der Sünde der Faulheit greift Sproul ein aktuelles Verhaltensmuster des Menschen im 21. Jahrhundert auf. „Faulheit ist der Feind der Produktivität und Arbeit erfüllt einen höheren Zweck als nur Selbsterhaltung“. So fordert er von einem Christen ein, dass dieser nach seiner Berufung im Reich Gottes Ausschau halten und mit Fleiß, Engagement und Einsatz das Werk verrichten soll, welches Gott ihm gegeben hat. Zuletzt blickt der Verfasser auf ein weiteres Thema, das unsere heutige Zeit kennzeichnet: Unehrlichkeit. Dieses Problem tauchte schon sehr früh in der Gesichte der Menschheit auf und hat sich hartnäckig gehalten. Neben dem Belügen der anderen und dem Lügen über andere thematisiert er auch das uns selbst und Gott belügen. „Als Christen sollen wir unseren sündigen Hang zur Lüge ablegen und mit ihr brechen“.
Die letzten beiden Kapitel zeigen nun auf, wie die Heiligung nicht nur bedeutend, sondern auch wirksam im Alltag des Christen voranschreiten kann. Dazu benötigt es biblische Lehre und ein Leben, das durch die Beziehung zu Gott und dem Verwurzeltsein in seinem Wort gekennzeichnet ist. „Der Geist der Heiligkeit ist auch der Geist der Wahrheit“. Und daher benötigt es drei Veränderungen für echte Heiligung im christlichen Leben: eine Veränderung in unserem Bewusstsein, einer Veränderung in unserer Überzeugung und eine Veränderung in unserem Gewissen. Mit dem Schlusskapitel ermutigt Sproul seine Leser noch einmal, nicht aufzugeben. „Geheiligt zu werden erfordert Arbeit – Aktivität, nicht Passivität“.
Die Lektüre eigent sich für jeden Gläubigen, der danach strebt, in der persönlichen Heiligung zu wachsen. Sproul gelingt es mit seinen Ausführungen das postmoderne Denken und die Verführung durch Irrlehren zu enthüllen und zeigt im Gegenzug, wie jeder Gläubige durch eine Beziehung zu Jesus Christus eine authentische und dauerhafte Umgestaltung seines Lebens erfahren kann. Durch die Anekdoten aus dem eigenen Glaubensleben, die auch offen Schwächen des Autors ansprechen, wird die Lektüre nicht zu einer geistlichen Standpauke, sondern vielmehr wird der Leser ermutigt, sich dem Prozess der Heiligung – durch Gottes Gnade – zur Verfügung zu stellen.
Es ist nicht nur der Inhalt, der anspricht. Sprouls Sprache ist leicht verständlich, von Herzen kommend und seelsorgerlich tiefgehend. Daneben ist es auch die ansprechende Gestaltung, die das Büchlein wertvoll machen (z. B. Lesebändchen).
Der Reichtum der biblischen Einsichten des Autors motivieren, die Absonderung gegenüber der Welt im praktischen Alltag sichtbar werden zu lassen, damit ein Leben geführt wird, das den Erretter ehrt. Somit sind das Buch und die Auseinandersetzung mit dessen Inhalt eine wichtige Hilfe, um die Bedeutung und die Wirksamkeit der Heiligung im gelebten Glaubensalltag voranzutreiben. Zudem ist das Buch eine wichtige Hilfe in einer Zeit der Orientierungs- und Haltlosigkeit und deshalb wird zum Kauf geraten.
Hier geht es zur Leseprobe.
Das Buch:
- Sproul, R. C. (2020): Gott wohlgefällig leben. Die Bedeutung und die Wichtigkeit der Heiligung entdecken, Voice of Hope Verlag, 210 Seiten, ISBN: 978-3-94797-876-2, Preis: 12,90€
erhältst du im Buchhandel oder direkt hier.
Kommentar schreiben