Dogmatik in biblischer Perspektive

Der Mensch will wissen, welche Gründe dafür sprechen, dass der christliche Glaube bei der Erschließung der Wirklichkeit hilft. Lukas Ohly, Professor für Systematische Theologie und Religionsphilosophie an der Goethe-Universität Frankfurt und gleichzeitig Gemeindepfarrer in Nidderau, kommt in „Dogmatik in biblischer Perspektive“ dem Bedürfnis nach Erklärung nach.

Der Verfasser wählt dabei den Ansatz der Phänomenologie. Ihr Prinzip besteht darin, aus der Untersuchung der Phänomene verlässliche Grundlagen zu entwickeln. Ein Vorteil dieser Herangehensweise ist, dass niemand im Vorfeld Wissen erwerben muss. Vielmehr hilft dieser Ansatz „die Phänomene des christlichen Glaubens schärfer zu sehen und sie zugleich gegenüber einem nicht-fachlichen Publikum zu kommunizieren“. Ergänzt wird diese Sicht durch die Arbeitsthese des Autors, die da lautet: „Theologisch-wissenschaftliche Erklärungsmodelle erwachen zum Leben, wenn sie in der menschlichen Lebenswelt rekonstruiert werden, der sie entstammen“. Denn schlussendlich machen „Menschen Erfahrungen in ihrer Welt, die in gewisser Weise aus der Welt herausführen“.

Der Aufbau des Buches ist den Lehrstücken einer evangelischen Dogmatik nach angeordnet. Jedes Kapitel steht für sich. Der Autor verzichtet auf eine einheitliche Argumentationsentwicklung, da er in seiner Methode, „von lebensweltlichen Phänomenen ausgeht und biblische Texte als Verstehenshilfen heranzieht oder umgekehrt biblische Texte mit Hilfe von Lebenserfahrungen deutet“. Ohly lädt so den Leser ein, „an der Aufgabe mitzuwirken, religiösen Glauben und nachprüfbare Vernunft in ein konstruktives und lebensnahes Verhältnis zu bringen“.

Und das gelingt dem Autor definitiv. Einerseits tritt Ohly für Wahrheiten ein, die heutzutage in der Diskussion stehen wie z. B. „das Wort Gottes ist ein Wort, und es bleibt auch das eine. Auch trotz Neuen Testamentes ist das Alte nicht veraltet“. Andererseits sind manche Ausführungen eher von philosophischer Bemühung gekennzeichnet, anstatt von klarem „Schrift durch Schrift“ auslegen. Die Auferstehung aus naturwissenschaftlicher Sicht zu erklären ist ohnehin schon schwer. Ohly versucht es trotzdem und scheitert dabei daran Bibel und Wissenschaft zu vereinen, statt dem Wort Gottes die volle Autorität zuzusprechen. „Alles, was geschieht, ist die Umwandlung von Materie in Energie, von Energie in Materie. Alles, was passiert, ist dass unser Leben eingebunden ist in einem energiereichen Strom des Universums, der Leben hervorspült, aber nie zerstört.“ Auch im Taufverständnis legt Ohly eine Interpretation vor, die mehr menschlichem Denken als dem biblischen Wort entspricht. „Christen taufen, weil sie schon in diesem Strudel der Ewigkeit stehen“. Als problematisch sieht der Rezensent die Beurteilung der Sündhaftigkeit des Menschen. „Sünde entsteht also allein deshalb, weil wir Menschen nicht alles wissen können, uns aber für unsere Lebenshaltung rechtfertigen müssen“. Ohly ist aber zugute zu halten, dass er Sünde nicht als moralisches Problem versteht, sondern Gottes Rechtfertigung bejaht. „Der Sünde entkommen wir aber nicht auf moralische Weise, sondern nur mit Gottes Hilfe“.

Der Autor tritt mit dem Anspruch an, Dogmatik in biblischer Perspektive beleuchten zu wollen. Das gelingt ihm aus Sicht des Rezensenten zu wenig, da er mehr die Lebenserfahrung betont als das geoffenbarte Wort Gottes. Der Leser wird definitiv herausgefordert, theologisch mitzudenken. Daher kann die Lektüre eher einem Publikum empfohlen werden, das fest im Wort Gottes verankert ist. Die biblische Warnung ist zu beherzigen: „… dass wir eine Reife erreichen, deren Maßstab Christus selbst ist in seiner ganzen Fülle. Denn wir sollen keine unmündigen Kinder mehr sein; wir dürfen uns nicht mehr durch jede beliebige Lehre vom Kurs abbringen lassen wie ein Schiff, das von Wind und Wellen hin und her geworfen wird,[…].“ (Epheser 4,13f, NGÜ).