Mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil wurde sich für eine „Öffnung der Kirche“ entschieden. Jean Vanier, Gründer der Arche, hatte bereits 1964 diesen Schritt gewagt. In seinem Buch „Zeichen der Zeit“ plädiert er für eine Kirche, die Hoffnung schenkt.
Jean Vanier, Mitglied der römisch-katholischen Kirche, bringt in seiner Einleitung das Anliegen seiner Vision deutlich zum Ausdruck. „Bis in die Mitte der 70er des vergangenen Jahrhunderts hatte man Menschen mit einer geistigen Behinderung in Psychiatrien abgeschoben oder sie in ihren Familien weggesperrt. Man betrachtete sie häufig als „Verrückte“, sprich als „Nicht-Personen“. Manchmal empfand man ihre Behinderung gar als ein Zeichen der Verurteilung durch Gott, die man einem schuldhaften Verhalten ihrer Eltern zuschrieb.“
Die Arche gründete er 1964 als „Berufung, mit den Ärmsten einen Leib zu bilden“. Heute zählt das Werk über 140 Arche-Gemeinschaften weltweit. Vanier selbst sagt, dass im Zusammenleben etwas Wunderbares zum Vorschein kommt: „in eine authentische Beziehung zu treten mit diesen Menschen bedeutet, umgewandelt zu werden. […] Diese Menschen mit einer Behinderung, in all ihrer Armut, sie haben mir die Tür geöffnet ins Innerste des christlichen Mysteriums“. Und so sieht er die Arche als „eine Schule der Liebe für all ihre Mitglieder, für die Menschen mit einer Behinderung und für die Assistenten“.
In den insgesamt sieben Kapiteln nimmt der Autor seine Leser nun mit hinein in das Paradoxe unserer Zeit. Vanier ist der Ansicht, dass die Kirche „nur im Mut „Kleiner zu werden“ die Leuchtkraft behalten oder neu gewinnen kann, die sie braucht, um das zu sein, was sie zu sein berufen ist: Zeichen der Hoffnung für eine Welt, die auf der Suche nach einer menschenwürdigen Zukunft Orientierung benötigt“. So hat sich der Autor schon bei den Kapitelüberschriften für Gegensätze entschieden, die das Anliegen auf den Punkt bringen möchten.
Inhaltlich erfährt der Leser Schritt für Schritt wie aus einer kleinen Hausgemeinschaft eine globale Initiative wurde. Dass der Verfasser Philosophie studiert hat, wird in den Ausführungen deutlich, denn Vanier gibt hier keine Methode zum Besten, sondern beschreibt philosophisch-religiöse Ansätze, um die Forderungen des Konzils Realität werden zu lassen. Dabei argumentiert er in seinen Ausführungen immer vor dem Hintergrund seines Katholizismus. Nichtsdestotrotz sind die Anregungen, Gedanken und Überlegen denominations- und konfessionsübergreifend bedeutsam, auch wenn der Rezensent die Lehren der römisch-katholischen Kirche nicht teilt. Allerdings in ethischen Aspekten ist es gerade der Katholizismus, der biblische Vorgaben praktisch umsetzen möchte. „Sind nicht die Jünger Jesu gerufen, sich ans Werk zu machen, um diese Kluft aufzufüllen und unsere Gesellschaft menschlicher zu machen?“
Insgesamt wird die Lektüre zum Nachdenken anregen. Einerseits, weil jeder in seinem Umfeld aktiv am Reich Gottes mitarbeiten sollte und andererseits im Blick auf Menschen mit Behinderung. „Die Menschen, mit denen wir unseren Alltag in der Arche teilen – sie so oft verkannt und verachtet worden sind -, sie sind nicht die „armen kleinen“ Kinder Gottes, derer man sich annehmen muss: Sie haben einen besonderen Auftrag, eine Mission in der Menschheit und in der Kirche“. Der Leser ist herzlich eingeladen, sich selbst Gedanken über Vaniers Thesen zu machen: „Es kann sein, dass es notwendig ist, noch kleiner zu werden, damit Jesu Gebet um die Einheit für alle Christen für alle Menschen dieser Erde Wirklichkeit werden kann.“
Hier geht es zur Leseprobe.
Das Buch:
- Vanier, J. (2016): Zeichen der Zeit. Für eine Kirche die Hoffnung schenkt, edition Wortschatz, 132 Seiten, ISBN: 978-3-943362-37-4, Preis: 12,00€
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