Biblische Gemeinde - heute verwirklichen

Gemeinde, Kirche oder Versammlung? Alles dasselbe oder gibt es Unterschiede? Was sagt die Bibel eigentlich über das Zusammenkommen von Christen? Gibt es „Regeln“, die einzuhalten sind? Wie sieht die Praxis des Gemeindelebens aus? Auf solche und weitere Fragen geht Manuel Seibel in „Biblische Gemeinde“ ein.

 

Gleich zu Beginn betont Seibel, dass er versuchen möchte, „fundierte Antworten aus Gottes Wort zu geben, denn jeder aufrichtige Christ sollte in der Lage sein, anhand der Bibel die Praxis seines Gemeindelebens zu beurteilen und zu gestalten“. Dabei liegt es Manuel Seibel am Herzen, einerseits eine Reihe von Kernaussagen zu beleuchten und andererseits deren größere Zusammenhänge aufzuzeigen.

 

Deshalb wird zu Beginn der Begriff „Gemeinde“ definiert. Hierbei zeigt er auf, dass die Gemeinde zwei Eigentümer besitzt: Gott und Jesus. „Beide sind Personen der Gottheit und Eigentümer der Versammlung“. Des Weiteren betont er, „dass der Glaube an Jesus Christus und sein Erlösungswerk rettet, nicht die Zugehörigkeit zu einer bestimmten christlichen Gruppierung oder Organisation“. Zudem war die Entstehung der Gemeinde nicht „Menschen- sondern Gotteswerk“. Der Pfingsttag ist die Geburtsstunde der Gemeinde Jesu, aber schon vor dem Schöpfungswerk hatte Gott den Plan, „seine Versammlung zu bilden“ (vgl. Eph. 3,9). Dem Verständnis des Autors nach, ist deshalb auch zwischen dem auserwählten Volk Israel, das zwar vor der Gemeinde auf der Erde war, aber im Gegensatz zur Gemeinde Jesu, nicht schon vor dem Schöpfungsakt feststand und der Versammlung zu unterscheiden. „Die Versammlung ist somit ihrem Ursprung nach göttlich und ihrem Wesen nach himmlisch, das Volk Israel und sein Platz im Reich Gottes dagegen zeitlich und irdisch“. Schlussendlich ist die Versammlung, Gemeinde oder Kirche eine „nie aufhörende Institution mit einer nie aufhörenden Sonderstellung und Beziehung inmitten der Gläubigen“.

 

Das sich anschließende Kapitel erörtert die Blickwinkel und Bilder der Gemeinde. Hier zeigt sich dann das Verständnis der exklusiven Brüdergemeinden deutlich. Zunächst geht Seibel auf die universale Gemeinde ein, denn „die Versammlung Gottes wird als eine universale Gemeinde gezeigt“. Sie besteht von Pfingsten bis zur Entrückung der Gläubigen. „Wenn Gott, der Vater, und der Herr Jesus der weltweiten Versammlung einen solchen Wert beimesssen, sollten auch wir erkennen, dass es nicht nur örtliche, sondern vor allem eine universale Versammlung gibt“. Dieser Aspekt ist von großer Bedeutung, da er das Verständnis der Ortsgemeinde beeinflusst. „Die Gläubigen sind nicht voneinander zu trennen. Alle Glieder zusammen bilden die Kirche Gottes“. Daraus ergibt sich dann auch eine globale Verantwortung der Gemeinden untereinander.

Die Kapitel vier bis sechs widmen sich konkreten Fragestellungen und praktischen Ausübungen des Gemeindelebens. In Bezug auf die Geistesgaben formuliert Seibel: „In der christlichen Gemeinde heute haben diese Wundergaben keinen Platz mehr.“ Die Ausführungen bezüglich der Ältestenschaft teilt der Rezensent nicht, da Seibel sich gegen eine benannte Ältestenschaft ausspricht. In den Ausführungen über das Zusammenkommen der Gemeinde sind durchaus nachdenkenswerte Impulse vorhanden, die jeder Gläubige im Herzen bewegen sollte. „An keiner einzigen Stelle ist von einem Nebeneinander, unterschiedlicher Versammlungen die Rede“. Allerdings kann der Verunreinigungslehre der exklusiven Brüder nicht zugestimmt werden (s. S. 107f oder S. 120f). Fraglich sind auch folgende Äußerungen: „Ein Zusammenkommen, wo beispielsweise feststeht, wer (womöglich auch worüber) sprechen wird, hat nicht den geistlichen Charakter, von dem der Apostel in 1. Korinther 14 spricht. […] Nur sind solche Versammlungen kein Zusammenkommen nach Matthäus 18,20“. Positiv ist, dass Seibel sich dafür ausspricht „wo Gottes Wort keine Anordnung gibt, dürfen auch wir sie nicht vornehmen“. Darüber ist gerade in Brüderkreisen im 21. Jahrhundert neu nachzudenken, um der Tradition mit dem Wort Gottes gegenüberzutreten.

Das siebte Kapitel blickt auf zahlreiche Fragen, die das Gemeindeleben und die praktische Glaubensausübung betreffen. Die Antworten sind vom Anliegen durchdrungen, sich von Gottes Wort leiten zu lassen, wobei hier und da, das exklusive Schriftverständnis der geschlossenen Brüder die Exegese beeinflusst. Gerade in Bezug auf die Ältestenfrage sei nur auf Ausarbeitungen von Eberhard Platte (Staffelübergabe) oder auch Alexander Strauch (Biblische Ältestenschaft) verwiesen, um das Blickfeld des Lesers in einer aktuellen Frage zu erweitern. Die Ausführungen bezüglich des Gebetes sind dahingegen sehr lobenswert. „Wir finden im Neuen Testament allerdings kein einziges Beispiel für ein Gebet zum Heiligen Geist“.

 

Inhaltlich erhält der Leser eine Beschreibung der biblischen Gemeinde nach dem Verständnis der geschlossenen Brüder, deren Herzensanliegen es aber ist, sich nach dem Wort Gottes auszurichten. Daher sind die Ausführungen durchaus gewinnbringend und mögen die eigene Denkweise über so manches Thema neu reflektieren lassen. Dem Verfasser ist zuzustimmen, dass es besonders wertvoll ist, „darüber nachzudenken, was für ein Vorrecht wir besitzen, im Namen des Herrn Jesus auf dieser Erde zusammenkommen zu können“. Seibel gelingt es auch strukturiert, schlüssig und klar seine Erkenntnisse darzulegen.

 

Insgesamt kann das Buch zur Lektüre empfohlen werden, da es so mancher heutigen Praxis eine Sichtweise entgegenstellt, die aus Gottes Wort und nicht aus der kulturellen Prägung oder der Überbetonung von Mission und Adressaten resultiert. Jedoch sollte die Lektüre zunächst mit der selbstständigen Bibellektüre und danach auch mit anderen Büchern zum Thema Gemeinde ergänzt werden, um sich in den „kritischen Fragen“ eine eigene Meinung aus Gottes Wort bilden zu können. 

 


Das Buch:

  • Seibel, M. (2017): Biblische Gemeinde – heute verwirklichen, Christliche Schriftenverbreitung, 222 Seiten, ISBN: 978-3-89287-408-3, Preis: 6,90€

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